Vor fast zwei Jahrzehnten habe ich die Normandie kennen und lieben gelernt. Auslöser war eine Hochzeit, die ich auf einer Burg der Tempelritter zwischen Paris und den Landungsstränden fotografieren durfte. Ein guter Freund überzeugte mich damals zu einem verlängerten Zeltwochenende in Étretat. Seitdem lässt mich die von Landwirtschaft und Gründerzeitbauten geprägte Landschaft nicht mehr los. Die Normannen ticken anders als wir Rheinländer – gemächlicher, ruhiger. Die Tiefe der Landschaft hat Parallelen zu meiner Heimat in der Eifel, doch in Frankreich spüre ich eine noch tiefere Ruhe und darf, je nach Laune, Landschaft und Meer kombinieren. Der Ärmelkanal kann lautstark toben, lädt im Sommer aber gewiss auch zu einem entspannten Bad ein.

Ein perfektes Reiseziel für den Sommer 2024, und das sogar in Kombination mit einem Auftrag: Die Bestsellerautorin Assumpta Montella lud mich für mehrere Tage ins Hotel La Marine in Arromanches ein, um sie fotografisch zu begleiten und zwei Coverbilder für ihre nächste Novelle zu erstellen. Vor und nach diesem Termin verweilten wir in Houlgate, unserem Lieblingsstädtchen inmitten der Normandie.

Leica M6 2022

Ich liebe Autofahren in Frankreich. Die Mautgebühren scheinen sinnvoll eingesetzt zu werden, denn Baustellen, Staus oder schlechte Fahrbahnen kenne ich dort kaum. Auch die entspannte Fahrweise der Franzosen trägt zu einem niedrigen Blutdruck bei, was den Urlaub schon bei der Anreise versüßt.

Einen Tag nach Ankunft in Houlgate verließen wir schon das Städtchen und fuhren in Richtung Arromanches, um dort im o.g. Hotel einzuchecken. Leider musste Assumpta aufgrund eines Unfalls ihrer Tochter nach Barcelona abreisen, sodass wir uns nicht persönlich kennen lernen durften. Jedoch blieb der Job zum Erstellen der Coverbilder bestehen. Wir wohnten einige Tage im größten und schönsten Zimmer des Hotels und genossen das Essen, den Strand und die Umgebung. Nachfolgende Bilder sind dort mit der Leica M6 und M7 auf Portra 160, 800 und Kodak TriX entstanden.

Zurück in Houlgate änderte sich das Wetter – typisch nass für den Sommer 2024.

Überaus beeindruckend war die inzwischen siebte Fotoausstellung Les Femmes s’exposent. Diese Ausstellung zeigte Werke weltweit tätiger Fotografinnen. Weniger als ein Viertel der Agenturfotografen sind Frauen – ein Grund, warum sich diese Ausstellung der weiblichen Sicht auf die Welt widmete. Die zwölf Ausstellungen im Freien waren ausgesprochen faszinierend. Neben sozialkritischen Themen waren auch Fotografien vergangener Epochen sowie Dokumentationen zu sehen, die sich mit den Belangen und Themen von Frauen auseinandersetzen.

Meistens aßen wir nahe dem Strand im Restaurant L’Arbre à Pin auf der Außenterrasse. Die Lage, die Menschen, die entspannte Atmosphäre und natürlich das hervorragende Essen und der wunderbare Wein machen diesen Ort zu etwas Besonderem. Hier kann man in Ruhe das Kommen und Gehen der Strandbesucher beobachten und die Sonne genießen, während die letzten Strahlen des Tages die Landschaft in ein sanftes Licht tauchen. Die Terrasse bietet einen weiten Blick auf die Küste und lässt einem Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen. Das Publikum ist eine Mischung aus Einheimischen und Besuchern, die die lockere, freundliche Stimmung in Houlgate schätzen.

Die Küche im L’Arbre à Pin ist ein Genuss: frische, regionale Zutaten, köstlich zubereitet, wobei die Speisekarte von fein abgestimmten Fischgerichten bis hin zu herzhaften Spezialitäten reicht. Dazu wird eine ausgesuchte Weinkarte geboten, die den Geschmack der Region perfekt ergänzt. Das Team des Restaurants sorgt mit herzlicher Gastfreundschaft dafür, dass man sich sofort willkommen fühlt und wirklich entspannen kann. Hier findet man eine Atmosphäre, wie sie typisch für die Normandie ist – entspannt, freundlich und unaufdringlich. In diesen Momenten wird spürbar, warum die Franzosen für ihre Kunst der Lebensfreude und Entschleunigung bekannt sind. L’Arbre à Pin ist damit nicht nur ein Restaurant, sondern ein Ort, an dem man das Leben in der Normandie wirklich spüren und genießen kann.

Die Normandie ist nicht nur bekannt für ihre Küstenlandschaft und charmanten Dörfer, sondern auch für ihre geschichtsträchtigen Museen. Besonders die Geschichte der Landung der Alliierten im Juni 1944 – dem D-Day – wird hier eindrucksvoll erzählt. Die Museen widmen sich mit einer Fülle an Ausstellungen diesem entscheidenden Moment des Zweiten Weltkriegs und der damit verbundenen Befreiung Europas von der Nazi-Herrschaft.

In den verschiedenen Museen erwartet Besucher oft eine beeindruckende Sammlung an historischen Objekten. Viele zeigen originalgetreu restaurierte Panzer, Flugzeuge und andere Militärfahrzeuge, die damals eine Rolle spielten. Besonders spannend ist es, dass man manche dieser Fahrzeuge betreten kann – ein Erlebnis, das die Atmosphäre jener Zeit hautnah spürbar macht. Neben den Fahrzeugen vermitteln persönliche Geschichten und Gegenstände der Soldaten und Zivilisten ein tiefes Verständnis für das Leid und die Hoffnung, die mit den Ereignissen verbunden waren.

Einige der bekanntesten Museen, wie das Mémorial de Caen und das Musée du Débarquement in Arromanches, bieten umfassende Einblicke in die militärische und menschliche Dimension der Landung. Diese Ausstellungen sind nicht nur für Geschichtsinteressierte, sondern für alle, die die Bedeutung der Ereignisse von damals und ihre Auswirkungen bis heute verstehen möchten.

Die Museen der Normandie sind somit nicht einfach nur Orte der Erinnerung, sondern lebendige Zeugnisse eines Wendepunkts in der europäischen Geschichte.

Die Église Saint-Blaise, eine kleine Kirche in der Normandie, ist nicht nur ein Ort des Glaubens, sondern auch der Erinnerung. Der Friedhof, der die Kirche umgibt, ist wie viele andere in der Region von einer besonderen Atmosphäre geprägt: Er erinnert an das Leben und die Schicksale der Bewohner und erzählt Geschichten vergangener Generationen. Die Grabsteine und Kreuze, teils von Moos bedeckt und verwittert, geben dem Ort einen stillen, ehrwürdigen Charakter.

Ein Spaziergang über den Friedhof der Église Saint-Blaise ist eine Reise in die Vergangenheit der Normandie. Die Grabinschriften, oft in französischer und manchmal auch in englischer Sprache, zeugen von Zeiten der Besatzung und des Widerstands, von Familien, die über Generationen in dieser Region verwurzelt waren, und von Fremden, die im Krieg ihr Leben ließen und hier ihre letzte Ruhe fanden. Für die Einheimischen ist dieser Ort nicht nur ein Friedhof, sondern ein Ort der Reflexion und des Respekts vor den Vorfahren.

Wer die Normandie besucht und in die stillen Geschichten eintauchen möchte, die abseits der geschichtsträchtigen Landungsstrände verborgen sind, sollte den Friedhof der Église Saint-Blaise nicht verpassen. Er bietet eine ruhige, besinnliche Erfahrung und die Gelegenheit, die Normandie aus einer persönlichen und historischen Perspektive kennenzulernen.

Der fotografische Ausklang dieses Beitrags endet mit Eindrücken aus und rund um Arromanches. Die sanfte, freundliche Landschaft entlang der Landungsstrände der Normandie steht in beeindruckendem Kontrast zur schweren Geschichte der Region. Heute liegt über den Stränden eine friedliche Stille, die sich besonders gegen Abend in einem fantastischen Licht zeigt. Für die Aufnahmen setzte ich auf Kodak Portra 160 und 800, um die einzigartige Atmosphäre und das wechselnde Licht einzufangen. Das Licht in der Normandie – wie in ganz Frankreich – ist ganzjährig faszinierend, und gegen Abend entstehen besonders weiche, goldene Töne, die jeder Szene Tiefe und Wärme verleihen.

Was Frankreich von Deutschland unterscheidet, ist die tief verwurzelte Wertschätzung für die Kunst, die in jeder Stadt und jedem kleinen Ort präsent ist. Kunst gehört hier zum Alltag, und die Franzosen begegnen ihr mit einem Verständnis und Respekt, wie es in Deutschland selten zu finden ist. Sei es durch Skulpturen im Stadtzentrum, kleine Kunstgalerien oder die gepflegten Fassaden historischer Gebäude – jede Stadt trägt ihre eigene kreative Identität, die Besucher inspiriert und zum Entdecken einlädt.

Seit meinem ersten Besuch in Frankreich im Jahr 1986 in Paris fotografiere ich das Land ausschließlich analog. Diese Methode ermöglicht mir, meine Wahrnehmung besonders authentisch darzustellen und gleichzeitig die hohe Qualität von Kodak Portra Filmen optimal zu nutzen. Meine fotografische Expertise, insbesondere in der analogen Fotografie, hilft mir dabei, Motive und Lichtsituationen genau einzuschätzen. Mit meiner alten Leica M7 und der neuen M6 aus 2022, zusammen mit Summicron-Objektiven, konnte ich die außergewöhnliche Leistung dieser Kamera-Objektiv-Kombination auf Film verewigen. Entwickelt wurden die Filme im MeinFilmLab, dessen hohe Qualität die Schärfe und Farbtreue meiner Aufnahmen präzise wiedergibt.

In Verbindung mit der Ruhe und dem Rauschen des Meeres bot dieser Urlaub ein Erlebnis für alle Sinne. Die friedvolle Stimmung, die in diesen Zeiten umso wertvoller erscheint, bildete den perfekten Abschluss einer Reise, die auch für mich fotografisch unvergesslich bleibt.