Zwischen Geschichte und Gegenwart – Schwarzweißfotografien aus der Normandie

An der See, besonders am Ärmelkanal, kann sich das Wetter binnen Minuten verändern. Ein lilagetönter Himmel weicht grauen, tief hängenden Wolken, die schwer und erdrückend wirken. Einzelne Regentropfen verwandeln sich im Sturm zu peitschenden Pfeilen.

Diese Mischung lässt das Menschsein wieder bewusst erfahren – wie klein und zerbrechlich wir doch alle sind. Das nächtliche Streifen durch alte Gassen, das Beobachten der Einwohner, die hinter Fenstern in unbeheizten Stuben sitzen und vermutlich wenig zu lachen haben, und das Entdecken der grausamen deutschen Architektur, die dort in den 1940er-Jahren zur sinnlosen Abwehr errichtet wurde, erzeugen einen inneren Konflikt: als Besucher die Scham der eigenen Vorfahren abzulegen – und sich dennoch offen und frei Land und Leuten gegenüber zu öffnen.

Wer mit Verstand und geschichtlichem Interesse die Region besucht, spürt diese Erfahrung beinahe minütlich. Anders als der Tourist, der in Badehose seine Liege am Strand verteidigt, um nach zwei Wochen Aufenthalt ohne geistige Begegnung wieder abzureisen.

JoergBergs

Eine Reise in die eigene Vergangenheit

Diese Reise war für mich auch eine Reise in die eigene Familiengeschichte. Mit geschlossenen Augen vermischen sich in meinem Kopf die Schatten der NS-Zeit mit der friedlichen Gegenwart. Mein Urgroßvater kämpfte in der Hohenstaufen-Armee, gemeinsam mit Wittmann, in den letzten Gefechten nach der Landung. Wittmann starb und liegt auf dem deutschen Soldatenfriedhof La Cambe begraben; mein Urgroßvater überlebte die Gefangenschaft – schwieg jedoch bis zu seinem Tod 1994.

Diejenigen, die schwiegen, hatten leibhaftig am Tod mitgewirkt. Ich fühlte mich wie ein Zerrbild aus Vergangenheit und Gegenwart – zwischen Erinnerung und Erlösung.

Die Rückkehr zum Schwarzweißfilm

Die Fotografie auf klassischem Schwarzweißfilm fühlte sich an diesen Orten richtig und notwendig an.
Klassisch verarbeitet, mit sichtbarem Rand – als Hommage an Henri Cartier-Bresson, dessen Abzüge stets einen schmalen Filmrand zeigten. Er beschnitt kein einziges Bild.

Für mich ist das keine starre Regel, sondern eine Haltung. Eine Herausforderung, die bewusste Komposition bereits im Moment der Aufnahme zu suchen – anstatt später eine digitale Megapixeldatei auf den „perfekten“ Beschnitt zu trimmen.

Verwendet habe ich klassisch Kodak Tri-X, einige TMax 400, und für die Nachtaufnahmen Ilford Delta 3200 sowie Kodak TMax 3200 – Filme, die in ihrer Körnigkeit und Tonalität genau den Charakter dieser Orte wiedergeben. Schwarzweiß ist für mich keine Reduktion, sondern eine Verstärkung. Die Abwesenheit von Farbe schärft die Wahrnehmung – für Formen, Kontraste, Licht und Dunkel. Vielleicht ist es genau das, was diese Region braucht: weniger Oberfläche, mehr Tiefe.