Man muss die Firma Leica nicht mögen. Man darf sie auch hassen. Wie keine andere Firma polarisiert Leica, deren Kameras und Zubehör seit langem im reinen Luxussegment angesiedelt sind.

Eines darf man Leica allerdings nicht vorwerfen: Leica ist mit einer der wenigen Firmen im Segment der Fotografie, die die Fotografie nicht nur maßgeblich mitentwickelte, sondern ganzheitlich zelebriert. Im Januar besuchte ich den Leitz-Park an einem Wochenende und tauchte in eine Welt der Fotografie ein.

Farbbilder: Neue Leica M6 + 21 Super Elmar, SW: Leica M10M mit 35 Summilux und 21 Super Elmar. Film Dev&Scan MeinFilmLab

Vom Hürtgenwald aus ist Wetzlar nur etwas über zwei Stunden entfernt. Ausgerechnet an diesem Wochenende schneite es deutschlandweit und die Fahrt verzögerte sich (unzählige bröckelnde Brücken mitgezählt) um eine gute Stunde. Wir trafen gegen Mittag von der A45 kommend im Leitz-Park ein und parkten den PKW direkt vor dem Vienna House Ernst Leitz Hotel, eine eigenständig arbeitende Institution, die allerdings tief in der Leica Welt verankert und verzahnt ist. 

Das Gelände bietet eine einzigartige Bauhaus Architektur und alles fließt ineinander über. Von der Straßenanbindung über die Werke – alles ist sinnvoll, logisch und ästhetisch miteinander verbunden. 

Die Rezeption empfing uns freundlich, nahm unser kleines Gepäck entgegen und wies uns später ein sehr geräumiges Zimmer am Ende der dritten Etage zu. Selbst das Zimmer entspricht einer futuristischen Bauhaus Architektur (mit rundem roten Teppich in der Mitte des Zimmers). Leica pur. Umwerfend sind die überall hängenden oder in die Wand integrierten Bilder. Im Foyer des Hotels sind mehrere, auf volle Deckenhöhe hinterleuchtete Klassiker in die Wand integriert. Überall sind Serien bekannter Leicafotografen zu bestaunen. Im Treppenhaus selbst hängen übergroße Portraits bekannter Fotografen, zumeist in Schwarzweiß. Jeder Meter Gang nimmt einen mit. Jeder Meter Gang zeigt Zeitgeschichte. Am Ende des langen Ganges links der Empfangstheke betritt man Oskars, das Restaurant des vier Sterne Hotels. Dort wärmten wir uns zunächst mit einem Tagesangebot, bestehend aus einer großen Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen, auf. Im Restaurant selbst lässt einen die Fotografie nicht los. Serien von Barbara Klemm aus vergangenen Jahrzehnten lassen einen die Zeit vergessen. Über dem Thekenbereich sind Fotos aus der Leica Historie zu sehen. An den Fenstern hängen großformatige Musiker- und Starportraits. 

Verlässt man das Hotel, findet man links den Leica Shop, das Leica Museum und die aktuelle Oskar Barnack Ausstellung. Die Mitarbeiterin im Leica Shop zeigte mir aktuelle Neuheiten, war sehr freundlich und gut informiert. Man bot mir vor Ort sogar den Tausch eines älteren Objektivs gegen Neuware an (ich nahm das Angebot dankend an, behielt aber mein Summilux). Durch den Shop geht es an die Ticketausgabe für das Museum. Wir kauften zwei Karten und schauten uns zunächst die große Oskar Barnack Ausstellung im Erdgeschoss an. Weiter ging es treppauf in das interaktive Museum. Dort lässt sich Fotografie hautnah erleben und erlernen. Gerade für fotografische Neulinge oder Kinder ist das Museum sehr empfehlenswert. Im oberen Eingangsbereich kann man verschiedene Filter ausprobieren, eine lebensgroße Blende und die physikalischen Sachzusammenhänge spielerisch erlenen. Weiter im Museum erfährt man die komplette Leitz Geschichte, sieht, warum das Design von Leica eine sehr große Rolle spielt und kann sich mittels Fernauslöser vor verschiedenen Hintergründen fotografieren lassen. Die Fotos sind anschließend downloadbar und im Erdgeschoss druckbar. Im Museum selbst kann man locker einen entspannten Tag verbringen. Vor dem Ausgang befindet sich ein kleiner Buchshop.

Kreuzt man die Straße links des Kreisverkehrs, betritt man anschließend die Werkhalle der Leica AG. Zwei große Rundgänge sind von außen gut einsehbar und der Blick bleibt bei lebensgroßen Fotografien hängen. Direkt hinter der Eingangstüre befindet man sich in der Leica Galerie. Hier hing das Lebenswerk von Elliot Erwitt. Die Halle ist groß und hell. Perfekt für permanente Ausstellungen. In einem großen Bogen wandert man an den Bildern vorbei und kann im hinteren Teil mehrere Blicke in die Produktion werfen. Alles ist hier extrem sauber, aufgeräumt und perfekt eingerichtet. Im Bereich der gläsernen Produktion ist eine Ausstellung (fast) aller bisher gebauten Leica Produkte in Vitrine zu begutachten.

Am Abend kehrten wir im Restaurant ein. Die Portionen waren groß, Wein und Bier lecker. Das Preis-Leistungs-Verhältnis für das vier Sterne Hotel samt Restaurant ist ohne Zweifel sehr gut. Die gebotene Leistung hervorragend.

Ich habe Canon besucht, kenne Nikon und Fuji. Aber Leica setzt an diesem Ort fotografische Maßstäbe. Wer kurz in eine andere Welt eintauchen will und vom Alltagsstress abschalten möchte, ist in Wetzlar richtig. 

Ja, hier sieht man, wo das Geld geblieben ist (meist gehörter Spruch) und richtig, die Preise der Neuware ist indiskutabel hoch. Ob der Luxus das selbst erstellte Bild qualitativ verbessert, darf ein jeder selbst entscheiden. Ich sehe keinen Unterschied zwischen Bildern aus meinem Canon R System und digitalen Ms. Auch haben japanische Hersteller beim Objektivbau extrem aufgeholt. Mein RF50 1.2 schlägt mein Summicron 50 1.4 ASPH. Wenn der Leica Service doch auch so gut wäre! Ich bin seit zwei Jahrzehnten mit einer Messsucher unterwegs, zumeist im privaten Bereich. Professionell nutze ich Canon Equipment. Das ist günstiger in der Anschaffung und der CPS-Support repariert mein Equipment binnen 24 Stunden oder sogar vor Ort. Meine M7 war 2018 aufgrund eines Brandlochs im Verschluss gute 3 Monate in Reparatur. Kunden berichteten mir zum Jahreswechsel von derzeit 8 Monaten Wartezeit. Feinmechanik darf man nicht mit Modulartechnik verwechseln. Aber selbst bei einer digitalen M dauert eine Reparatur oder Sensorreinigung mitunter mehrere Wochen. Andererseits darf man nicht vergessen, das Canon Kameras, die älter als 10 Jahre sind, nicht mehr aktiv supportet werden, während der Customer Care alte M3 Systeme aus den 1950er Jahren annimmt. Das ist Nachhaltigkeit, die ihren Preis hat und ihre Zeit benötigt. Und der Customer Care hat viel zu tun. Im Luxussegment ist es allerdings auch so, das dort viel Equipment mit einem kleinen Krätzerchen und einem Staubpartikel auf dem Sensor zur Reparatur vorliegt. Das blockt wichtigere Aufträge. Digital hat Leica noch aufzuholen. Meine M10R/M ist wählerisch bei SD-Karten, friert gerne mit Visoflex hin und wieder ein und ein Update der Software ist wohl nicht mehr zu erwarten. Den Tipp zur M11 zu wechseln überlächelte ich. Die bei Leica bekannte Nachhaltigkeit für analoge Systeme sollte auch digital gelten. Hierbei setzen die Controller vermutlich allerdings andere Ziele.